Da das Areal inmitten von Schutzgebieten liegt und überdies Teil eines vom BfN ausgewiesenen Biodiversitäts-Hotspots ist möchten wir von der Stadt wissen, wieso sie nicht anstrebt, das Areal in die benachbarten Schutzzonen zu integrieren.
(Verfasser)
Stadtverwaltung Ingelheim
Rathaus
Fridtjof-Nansen-Platz 1
55218 Ingelheim
Betr.: Bebauungsplan „Reitanlage an der Mainzer Landstraße“
Vorentwurf vom 24.06.2021
Stellungnahme Nr. 6
Bezug: Regelwerk für internationale und nationale Schutzgebiete
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Claus,
im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit an der Bauleitplanung habe ich folgende Anmerkungen und eine Frage zum oben genannten Vorhaben:
Das Plangebiet ist an allen vier Seiten von Schutzgebieten mit hohem ökologischem Wert umgeben. Es hat die gleiche Geologie und das gleiche Klima wie die Umgebung und bietet somit die gleichen Lebensräume und Biotoptypen. Es ist daher anzunehmen und teilweise gesichert (siehe z.B. [6]), dass im Plangebiet die gleichen schutzwürdigen Arten vorkommen bzw. angesiedelt werden können wie in den angrenzenden Schutzgebieten. Nach einer Karte des Bundesamts für Naturschutz ist die Rheinebene zwischen Mainz und Bingen zu einer von 30 Biologischen Hotspots der Bundesrepublik Deutschland. Die Fläche diese Hotspots überdeckt auch das ehemalige IBM-Gelände.
Warum nutzt die Stadt Ingelheim nicht die Gelegenheit, Natur und Biodiversität zu fördern, indem sie das Plangebiet in die umliegenden Schutzgebiete integriert?
Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen.
Mit freundlichem Gruß
(Unterschrift)
Anlagen
Erläuterungen
Quellen
Erläuterungen
Das ehemalige IBM-Gelände (nachfolgend Plangebiet genannt) liegt innerhalb des Natura2000 – Netzes und ist an allen vier Seiten von internationalen (Tabelle 1) und nationalen (Tabelle 2) Schutzgebieten umgeben, im einzelnen
Vogelschutzgebiet
FFH-Gebiet
Naturschutzgebiet
Landschaftsschutzgebiet
Gentechnikfreies Gebiet.
Landschaftsschutzgebiet und gentechnikfreies Gebiet überdecken auch das Plangebiet.
In den das Plangebiet umschließenden Gebieten liegen besonders geschützte Biotopkomplexe (Tabelle 3), Biotoptypen und nach §30 Bundesnaturschutzgesetz bzw. § 15 Landesnaturschutzgesetz besonders geschützte Biotope (Tabelle 4, siehe auch gesonderte Stellungnahme Nr. 9). In diesen Gebieten einschließlich des Plangebiets wurden nachgewiesen [6]
16 Pflanzenarten der Roten Listen bzw. nach BAV geschützte Arten
43 Vogelarten, davon 8 Arten der Roten Listen
7 Arten geschützter Fledermäuse
1 Reptilienart der Roten Liste D.
Ein anderer Autor [12] nennt 120 höhere Pflanzen. Schützwürdig sind
16 Arten Rote Liste Deutschland
8 Arten Rote Liste Rheinland-Pfalz
11 Arten nach BNatSchG streng geschützt
2 Arten nach BNatSchG besonders geschützt
1 Art nach Anhang II + IV FFH-Richtlinie prioritär geschützt.
Nach dem Bewirtschaftungsplan für Das Vogelschutz- und FFH-Gebiet [7] kommen folgende bedrohte und nach Anhang II der FFH-Richtlinie besonders zu schützende Tiere vor:
Hirschkäfer
Grauspecht
Wendehals
Wiedehopf
Schwarzspecht
Neuntöter.
Die von diesem Bewirtschaftungsplan erfassten basenreichen Sandrasen sind „landesweit einmalig, sehr artenreich und Lebensraum“ für
Sand-Silberscharte
Blauschillergras
Steinkraut
Ebensträußiges Gipskraut
Kegel-Leimkraut
Sandstrohblume.
Der „landesweit bedeutsame“ Steppenrasen ist Lebensraum für
Frühlings-Adonisröschen
Walliser Schwingel
Violette Schwarzwurzel
Echtes Federgras
bedeutendes Vorkommen
Bei einer Begehung der Wege in unmittelbarer Umgebung des Plangebiets wurden folgende
seltene und teilweise geschützte Arten [8] nachgewiesen:
Fliegen
Wiesen-Wespenschwebfliege
Zichzacklinien-Trauerschweber
Hautflügler
Sichelwanzen-Grabwespe sehr selten
Heuschrecken-Sandwespe selten
Große Kreiselwespe Rote Liste 2 Verantw.-Art
Ackerhummel
Haus-Feldwespe
Schmetterlinge
Zypressenwolfsmilch-Glasflügler sehr selten Rote Liste 1
Zitronenfalter
Schachbrett
Schwarzkolbiger Braun-Dickkopffalter
Käfer
Dünen-Sandlaufkäfer Rote Liste 3
Vierundzwanzigpunkt-Marienkäfer
Zweibindiger Schmalbock
Anthaxia quadripunctata/godeti sehr selten
Braunrötlicher Spitzdeckenbock
Heuschrecken
Roesels Beißschnecke
Chorothippus biguttulus-Gruppe
Gefleckte Keulenschrecke
Blauflügelige Ödlandschrecke Rote Liste 3
Westliche Beißschrecke Rote Liste 3
Großes Heupferd
Wanzen
Rote Halsring-Weichwanze
Schwarzrote Sichelwanze
+ weitere 78 Arten [9]
Zur ökologischen Wertigkeit tragen auch die Laufkäfer bei. Nach einer aktuellen
Untersuchung [10] wurden auf der Uhlerborner Düne 44 Arten festgestellt, von denen „20 auf den Roten Listen von Deutschland bzw. Rheinland-Pfalz stehen. Drei Arten ... sind landesweit vom Aussterben bedroht, zwei weitere sind landesweit stark gefährdet.“ 28 dieser Arten sowie 2 vom Aussterben bedrohte Arten wurden in unmitelbarer Nähe des Zaunes um das IBM-Gelände festgestellt.
Eine Liste [11] mit Zufallsfunden von Insekten im Uhlerborner Sandgebiet nennt 96 Arten, darunter seltene Arten wie
Brombeer-Perlmuttfalter
Spanische Flagge
Storchschnabelbläuling
Schwarze Heidelbeerlibelle
Rotköpfiger Linienbock
Dichtpunktierter Walzenhalsbock
Stilettfliege.
An verschiedene Stellen (u.a. auch der Fläche nördlich des ehemaligen IBM-Geländes)
wurden nachgewiesen
Östliche Ringelnatter (Natri natrix) [14] Rote Liste V
Erdkröte (Bufo bufo) [15]
Haselmaus (Muscardinus avellanarius) [16].
Tabelle 1. Internationale Schutzgebiete Natura2000 Netz[1]
Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet
EU-Nummer
Osiris-Kennung
Name
DE-6014-401
VSG-6014-401
Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim
DE-6014-302
FFH-6014-302
Kalkflugsandgebiet Mainz-Ingelheim
Lebensraumtypen
Objektname
Langname
Kurzname
BT-5914-0011-2012
Dünen mit offenen Grasflächen mit Corynephorus
und Agrostis [Dünen im Binnenland]
2330
BT-5914-0183-2012
Kiefernwälder der sarmantischen Steppe
91U0
Tabelle 2. Nationale Schutzgebiete [2]
Art
Name
Nummer
Rechtsgrundlage
Naturschutzgebiet *)
Lennebergwald
NSG-7339-060
Rechtsverordn. v. 24.05.96
Landschaftsschutzgebiet **)
Rheinhessisches Rheingebiet
07-LSG-73-2
Gentechnikfreies Gebiet **)
§19 LNatSchG
Gesetzl. Gesch. Biotope
Siehe Tabelle 5
§ 30 BNatSchG
*) umgibt das Plangebiet auf allen vier Seiten
**) schließt das Plangebiet ein
Tabelle 3. Biotopkomplexe [4]
Objektname
Kennung
Kalkflugsandgebiet zwischen Uhlerborn und der Autobahn A 60
BK-5914-002-2012
Sand- und Steppenrasen Uhlerborn am Westrand des Lennebergwaldes
BK-5914-003-2012
Dünenzug am Forsthaus, Südteil des Lennebergwaldes
BK-5914-005-2012
Lennebergwald westlich von Mainz
BK-5914-009-2012
Teich im Wald E Uhlerborn
BK-5914-0530-2012
Tabelle 4. Nach § 30 BNatSchG und § 15 LNatSchG geschützte Biotoptypen [5]
Objektname
Kurz-
name
Langname
Objektbezeichnung
BT-5914-0117-2006
HK8
Erwerbs- oder
Extensivobstanlagenbrache
Erwerbsobstbaubrache in Kalkflugsandgebiet ...
BT-5914-0011-2012
zDC0
Silikattrockenrasen
Sandrasen im Kalkflugsandgebiet ...
BT-5914-0010-2012
zDD5
Sandsteppenrasen
Sandrasen in Sand- und Steppenrasen ...
BT-5914-0009-2012
zDD6
Subkontinentale Halbtrocken- und Steppenrasen
Steppenrasen ...
BT-5914-0175-2006
yAU0
Aufforstung
Aufforstung im Lennebergwald ...
BT-5914-0105-2006
yFF0
Teich
Teich im Wald ...
BT-5914-0183-2012
zAK0
Kiefernwald
Kieferntrockenwald
BT-5914-0145-2006
yAK1
Kiefernmischwald mit einheimischen Laubbaumarten
Kiefernmischwald mit einheimischen Laubhölzern in Dünenzug ...
Quellen
[1] LANIS Kartendienst > Schutzgebiete > Intern.Schutzgebiete >
IUCN-IV Biotop-/Artenschutzgebiet >Natura2000 Netz
[2] LANIS Kartendienst > Schutzgebiete > Nationale Schutzgebiete
[3] LANIS Kartendienst > Biotopkataster > geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG
[4] LANIS Kartendienst > Biotopkataster > Biotopkomplexe
[5] LANIS Kartendienst > Biotopkataster > gesetzlich geschützte Biotope und LANIS Kartendienst > Biotopkataster > Biotoptypen
[6] C.Willigalla, G.Gorzejeska: Floristische und Faunistische Kartierung Ehemaliges IBM-Gelände Heidesheim. Endbericht 08.11.2019
[7] Bewirtschaftungsplan BWP_1012_03_S_Fachplan_Anlagen_Arten_Steckbriefe
Bewirtschaftungsplan BWP_1012_03_S_Fachplan_Grundlagen
Bewirtschaftungsplan BWP_1012_03_S_Fachplan_Maßnahmen
[8] Dr. U.Gönner, E.Entenmann: Begehung der Uhlerborner Dünen am 27.06.2021
https://naturgucker.de/natur.dll/PA73s~1fENGJzfjiHtFER9qJ9kS/
> Gebiete > Uhlerborn > Beobachtungen
[9] Dr.Hannes Günther: Artenliste mit 78 Arten. Persönliche Mitteilung vom 21.06.2021.
Es handelt sich um eine „Wanzenfauna ohne große Seltenheit“, die aber „in der Gesamtheit typisch [ist] für trockene sandige Standorte“.
Eine umfassende Artenliste liegt vor.
[10] H.-H.Ludewig: Zur Laufkäferfauna der Uhlerborner Dünen bei Heidesheim in Rheinhessen (Coleoptera: Carabidae). Mainzer naturwiss.Archiv 56, 259-268 (2019).
Die Veröffentlichung enthält eine umfangreiche Artenliste
[11] H.-G.Volz: Ausgewählte Zufallsfunde von Insekten im Uhlerborner Sandgebiet.
Unveröffentlicht.
Eine Artenliste liegt vor.
[12] Th.Becker: Floristische Beurteilung der an das ehemalige IBM-Gelände angrenzenden Biotoptypen. Amtliche Biotopkartierung Rheinland-Pfalz (2012 und Fortschreibung) und eigene Beobachtungen (2016).
Eine Artenliste liegt vor.
[13] LANIS-Bund: Hotspots der Biologischen Vielfalt. Bearbeitungsstand Februar 2012.
Nördliche Oberrheineben mit Hardtplatten (Hotspot 10, Teil 1)
Bundesamt für Naturschutz, Konstantinstraße 110 53179 Bonn
[14] https://www.artenanalyse.net/Artenanalyse/ Art ID 102338 Östliche Ringelnatter Natrix natrix 2019-09-04
[15] https://www.artenanalyse.net/Artenanalyse/ Art ID 102322 Erdkröte Bufo bufo 2018-04-02
[16] https://www.artenanalyse.net/Artenanalyse/ Art ID 6549 Haselmaus Muscardinus avellanarius 2011-10-21
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