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Stellungnahme bzgl. Baugesetzbuch

Aktualisiert: 18. Juli 2021

Das Vorhaben 'Reitanlage' widerspricht nach unserer Auffassung den vorherigen Planungen für das Areal. Wir fragen, warum die Stadt versucht, das Vorhaben voranzutreiben, obwohl das für die Stadt Risiken birgt. Wir regen an, daß zunächst von neutraler Seite ein Rechtsgutachten erstellt wird.


 

(Verfasser)


Stadtverwaltung Ingelheim

Rathaus

Fridtjof-Nansen-Platz 1

55218 Ingelheim





Betr.: Bebauungsplan „Reitanlage an der Mainzer Landstraße“


Vorentwurf vom 24.06.2021

Stellungnahme Nr. 1


Bezug:

1. Präambel und §1 Baugesetzbuch [1]

2. §35 Baugesetzbuch [1]

3. Bewirtschaftungsplan für das Kalkflugsandgebiet Mainz-Ingelheim

und das Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim [2]




Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Claus,


im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit an der Bauleitplanung habe ich folgende Fragen und Anmerkungen zum oben genannten Vorhaben:



Warum verfolgt die Stadt Ingelheim das Vorhaben weiter, obwohl die

Ausführung nach Baugesetzbuch in Verbindung mit dem im Betreff genanntenBewirtschaftungsplan und weiteren Plänen (Landesentwicklungsplan, Raumordnungsplan) nach den untenstehenden Erläuterungen nicht zulässig ist?


Warum geht die Stadt Ingelheim das Risiko ein, in einem Normenkontrollverfahren zu unterliegen und eventuell schadensersatzpflichtig zu werden?


Wenn Sie sich meinen Ausführungen nicht anschließen können, schlage ich vor, dass ein Rechtsgutachten eingeholt wird, wobei aber dem Investor bei der Auswahl des Gutachters kein Einfluss eingeräumt werden sollte.


Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen.

Mit freundlichem Gruß


(Unterschrift)



Anlagen

Erläuterungen



Quellen




Erläuterungen


1. Das BauGB dient der Umsetzung mehrerer Richtlinien des Europäischen Parlaments und Rates, im einzelnen der Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume [3], der Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen [4], der Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten [5] und der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung.


Daraus geht hervor, dass Bauvorhaben nicht nur nationalem Recht, sondern auch übergeordnetem europäischem Recht unterliegen.


Regelungen, Pläne und sonstige Festlegungen, die nach den genannten Richtlinien erstellt wurden, sind bindend, auch wenn sie im BauGB oder dem nachgeordnetem Regelwerk nicht explizit genannt sind.


2. Nach §1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe a BauGB sind bei der Aufstellung von

Bauleitplänen (= Flächennutzungspläne und Bebauungspläne) insbesondere „Auswirkungen

auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt“ zu berücksichtigen.


3. Nach §1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b BauGB sind bei der Aufstellung insbesondere „die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000- Gebiete“ zu berücksichtigen.


4. Nach §1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g BauGB bei der sind Aufstellung insbesondere „die Darstellung von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen“ zu berücksichtigen.


5. Nach §1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe i BauGB sind insbesondere „die

Wechselwirkungen zwischen einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den

Buchstaben a bis d“ zu berücksichtigen.


6. Nach § 1a Nummer 5 sind die „Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes ...

einschließlich der Einholung einer Stellungnahme der Europäischen Kommission

anzuwenden“, soweit ein Gebiet im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b (= Natura 2000-Gebiete) „in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann“.


7. Bei der „Reitanlage an der Mainzer Landstraße“ handelt es sich unstrittig um ein Vorhaben im Außenbereich im Sinne von §35 BauGB. Nach §35 Absatz 1 Satz 1 BauGB ist „im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen ...“ Nach §35 Absatz 3 Ziffer 2 liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, „wenn das Vorhaben den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans ... widerspricht“.


8. Auf der Grundlage europarechtlicher Vorgaben wurde 2018 von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd ein Bewirtschaftungsplan für das FFH-Gebiet

Kalkflugsandgebiet Mainz-Ingelheim und das Vogelschutzgebiet Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim verabschiedet [2]. Damit liegt ein „sonstiger Plan“ im Sinne des §35 BauGB vor. In diesem Plan werden auch die ehemaligen Sportanlagen des IBM-Clubs Heidesheim angesprochen [7]. Das Gebiet umfasst Reliktvorkommen von Sand- und Steppenrasen. Zur „Wiederherstellung naturnaher Sand- und Steppenrasen sowie Lebensräume (Nahrungshabitat) der Zielarten Wiedehopf und Heidelerche“ wird u.a. vorgeschlagen


  • Rückbau der Sportanlagen im ehemaligen IBM-Sportgelände unter Erhaltung der bestehenden Relikte und Potenzialflächen zur Entwicklung von Sand und Steppenrasen und

  • Wiederherstellung von Sand- und Steppenrasen durch Offenhaltungspflege und Anlage von offenen Sandflächen im Bereich der ehemaligen Sportanlagen.


Diese Maßnahmen dienen dem Schutz der Heidelerche.


Die Maßnahmenkarte [8] schließt das ehemalige IBM-Gelände als Zielraum Z 033 O und FFH-Lebensraumtyp 6120 Basenreicher Sandrasen ein. Das ehemalige IBM-Gelände liegt eindeutig im Geltungsbereich des Bewirtschaftungsplans. Eine Kurzbeschreibung dieses Lebensraumtyps mit typischen Pflanzen- und Tierarten befindet sich in [9] mit dem Zusatz „Dieser sehr seltene Lebensraumtyp ist in Rheinland-Pfalz auf das Mainz-Ingelheimer

Kalkflugsandgebiet beschränkt“.


9. Dass ein Bewirtschaftungsplan der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zu beachten ist, ergibt sich aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zu einem ähnlich gelagerten Fall [10].


10. Pläne im Sinne von §1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b BauGB sind auch die

Landesentwicklungsprogramme III und IV sowie der Raumordnungsplan für RLP. Die Festlegungen aus diesen Plänen sind im Flächennutzungsplan aufgeführt und werden in der Stellungnahme Nummer 2 zu diesem Plan behandelt.



Quellen


[1] Baugesetzbuch in der Fassung vom 3. November 2017, geändert am 8. August 2020.


[2] BWP_2012_04_S FFH 6014-302 Kalkflugsandgebiet Mainz-Ingelheim

VSG 6014-401 Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim

Herausgeber: Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd

Bearbeiter: Planungsbüro Höllgärtner, Ludwigstraße 66, 76751 Jockgrim


[3] Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden und Tiere und Pflanzen vom 22.7.1992.


[4] Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkung bestimmter Pläne und Programme.


[5] Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten.


[6] Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltvertäglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten.


[7] BWP_2012_04_S_Fachplan_Maßnahmen.pdf Seite30


[8] BWP_2012_04_S_Fachplan_Maßnahmenkarte_03.pdf


[9] BWP_2012_04_S_Fachplan Anlagen_LRT_Steckbriefe.pdf


[10] Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland Pfalz 8. Senat vom 27.05.2020 Ziffer 98 und 99. Aktenzeichen 8 C 11400/18.


[11] Landesentwicklungsprogramm IV, verabschiedet vom Ministerrat RLP am 7. Oktober 2008 und gemäß § 8 Abs. 1 Satz 7 Landesplanungsgesetz durch Rechtsverordnung für verbindlich erklärt.


[12] Regionaler Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe 2014



 


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